Wer regiert China?

Diese Frage lässt sich leicht beantworten: die Kommunistische Partei. Doch wie es bei vielen scheinbar einfachen Antworten der Fall ist, ist auch die obige Antwort trügerisch. Denn die Partei ist ein abstrakter Begriff, während die Regierungsgeschäfte eine praktische Angelegenheit sind – oft bis zur Schmerzgrenze praktisch.

Fangen wir also mit einer an sich paradoxen Feststellung an: Die KP mag zwar China regieren, doch sie ist nicht Teil der Volksrepublik, wie der britische Buchautor Richard McGregor in seinem Standardwerk “The Party” erläutert. Das heutige China ist so konstruiert, dass es der Partei eine Position außerhalb des Gesetzes einräumt, die den totalen Durchgriff ermöglicht – denn in der chinesischen Verfassung steht die Führungsrolle der KP festgeschrieben. Dieser Paragraph genügt als Begründung – und er gibt den Parteikadern das Privileg, “diplomatische Immunität innerhalb des eigenen Landes zu genießen”, wie es McGregor formuliert.

Und wie funktioniert das in der Praxis? An der Spitze der Pyramide steht momentan Parteichef Hu Jintao, der aufgrund seiner Position in der KP-Hierarchie zugleich auch Staatschef und Oberbefehlshaber der Streitkräfte ist. Hu besetzt den Posten seit 2002 und tritt im Herbst 2012 nach einem zehnjährigen Turnus ab. Wer ihm nachfolgt, wird in den Couloirs der kommunistischen Macht ausgeschnapst – dort, wo die diversen Fraktionen ihre Machtkämpfe austragen.

Die Führungszirkel sind nach dem Prinzip der russischen Babuschka organisiert – die Gremien verstecken sich ineinander und werden dabei immer kleiner. Einvergleichsweise großes Forum für die Entscheidungsfindung ist das Zentralkomitee – ein knapp 400-köpfiges Organ, das die wichtigsten Entscheidungsträger aus Wirtschaft, Verwaltung, Medien, Militär und Forschung versammelt. Das ZK wiederum stimmt über die Besetzung des Politbüros ab, dessen rund 25 Mitglieder die Aufgabe haben, den Durchgriff der Partei auf alle Bereiche des chinesischen Lebens zu sichern. Das Politbüro entscheidet zu guter Letzt, wer dem Ständigen Ausschuss angehört – jene neun Personen, den diese Ehre zufällt, sind die mächtigsten Menschen in China.

 

About Michael Laczynski

Michael Laczynski wurde 1973 in Warschau geboren und kam im zarten Alter von elf Jahren nach Österreich. Er war langjähriger Leiter des Auslandsressorts der Tageszeitung "WirtschaftsBlatt", ist Mitbegründer des Kulturmagazins TOURISTEN und schreibt jetzt aus Brüssel für "Die Presse". ml@homo-oeconomicus.com
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