Zypern, Teil 2: Die Zyprioten können ihr Geld nicht ins Ausland überweisen. Na und?

Abseits der Probleme, auf die sich die Einwohner der Insel im Alltag nun einstellen müssen, stellen die zyprischen Kontrollen des Kapitalverkehrs auch die Sparer im Rest der Eurozone vor ein unangenehmes Dilemma: Sollen sie ihr Erspartes da lassen, wo es jetzt ist, oder es in die „Sicherheit“ bringen, sprich einer vermeintlich soliden Bank in Deutschland, Finnland oder Großbritannien anvertrauen (Österreich lassen wir hier mal außen vor)?

Im Zusammenhang mit der Rettung Zyperns hat die EU nämlich zwei Tabubrüche begangen. Erstens die Beteiligung der Inhaber großer Bankkonten an der Rettung ihrer überschuldeten Banken. Und zweitens die Einführung von Kapitalkontrollen, die laut EU-Vertrag eigentlich verboten sind – außer wenn die „öffentliche Ordnung und Sicherheit“ in Gefahr sein sollte, was laut EU-Kommission auf Zypern voll zutrifft. Und nun die Millionenfrage: Kann ein Sparer in Italien nun den Beteuerungen aus Brüssel trauen, denen zufolge Zypern ein Einzelfall ist und bleibt, oder muss er damit rechnen, dass ähnliches auch in seinem Land passieren könnte, sollte sich die finanzielle Lage in Italien verschlimmern – angesichts der politischen Zerfallserscheinungen eine nicht unwahrscheinliche Entwicklung?

Dramatisch formuliert: Von der Antwort auf diese Frage hängt es ab, wie es weitergehen wird mit der Eurozone. Fangen nämlich die Italiener, Spanier, Griechen etc. damit an, ihr Geld ins Ausland zu überweisen, könnten die Entwicklung die europäischen Retter überfordern – das ist jetzt allerdings das Katastrophenszenario. Wahrscheinlicher ist nach momentanem Stand der Dinge, dass die EU sich durch die Krise weiterwurschteln wird und die anderen Südeuropäer gelassen bleiben. Denn Zypern bietet sich auch dafür als Beispiel an: Die Diskussionen über eine mögliche Enteignung der Kontoinhaber wurde ja bereits über Monate geführt – und zwar ohne Panik. Es zeigt sich also, dass Gelassenheit – manche würden an dieser Stelle von Trägheit sprechen – sehr hilfreich sein kann.

About Michael Laczynski

Michael Laczynski wurde 1973 in Warschau geboren und kam im zarten Alter von elf Jahren nach Österreich. Er war langjähriger Leiter des Auslandsressorts der Tageszeitung "WirtschaftsBlatt", ist Mitbegründer des Kulturmagazins TOURISTEN und schreibt jetzt aus Brüssel für "Die Presse". ml@homo-oeconomicus.com
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2 Kommentare zu: Zypern, Teil 2: Die Zyprioten können ihr Geld nicht ins Ausland überweisen. Na und?

  1. That’s a genuinely imrsvspiee answer.

  2. Ein sehr interessanter Artikel mit Ansichtspunkten, die ich so in dieser Form gar nicht bedacht habe.

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